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Quercetin & Fisetin: Können diese Senolytika bald das Altern aufhalten?

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Die Übeltäter im Alterungsprozess sind seneszente Zellen. Obwohl sie längst ihr Hayflick-Limit erreicht haben (nach 40 bis 60 Teilungen), weigern sie sich abzudanken und treiben stattdessen während ihres Zombiedaseins, die umliegenden Zellen in fatale inflammatorische Prozesse. Ab 50, spätestens 60 häufen sich immer mehr dieser seneszenten Zellen in unserem System, so dass der Alterungsprozess bei vielen Menschen im Turbogang einsetzt.

Langlebigkeitsforscher setzen nun auf zwei wesentliche Stoffe, die uns in Zukunft länger jung halten könnten. Die bisherigen Studien sind vielversprechend und könnten den Startschuss für ein neues Zeitalter des „Slow-Aging“ geben. Doch das Eliminieren seneszenter Zellen birgt auch Risiken. Youngerland checkte für Sie die Fakten.

Was genau sind „seneszente“ Zellen?

Klingt brutal, ist aber so: Jede Zelle hat nur eine begrenzte Lebensdauer. Eine Zelle am Ende ihres Lebens geht somit zu ihrer Selbstzerstörung über, um den Organismus nicht unnötig zu belasten. Dieser natürliche Prozess wird als Apoptose bezeichnet. Er startet, sobald die Zelle Ihre sogenannte Hayflick-Grenze erreicht hat. Benannt wurde sie nach dem Wissenschaftler Leonard Hayflick, der sie 1961 entdeckte. Mit seinem Beweis, dass sich normale menschliche Zellen (anders als beispielsweise Embryonalzellen) ca. 52-mal teilen, bevor schließlich die Zellalterung einsetzt, widerlegte er die herrschende Meinung, dass Zellen grundsätzlich „unsterblich“ seien. 

Harter Tobak: Ab 50 startet der „Verfall“

De facto kommt es jedoch ab einem Alter von 50 Jahren immer häufiger vor, dass bestimmte Zellen am Ende ihres Lebens nicht in die Phase des Zelltods eintreten. Diese Zellen, die als seneszent bezeichnet werden, wandern dann weiterhin durch den Körper und treiben dort ihr Unwesen.

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Unseren inneren und äußeren Verfall haben wir in erster Linie seneszenten Zellen zu verdanken, so vermuten Forscher.

Solange wir noch jung sind, ist es ein Leichtes für unsere Immunabwehr, die Zombie-Zellen zu beseitigen. In der zweiten Lebenshälfte, wenn die Natur meint, wir hätten mit der abgeschlossenen „Aufzucht unseres Nachwuchses“ das primäre Lebensziel erreicht, kommt der Alterungsprozess dann aber so richtig ins Rollen. Die seneszenten Zellen überwältigen in immer größerer Zahl das Immunsystem, das ab da nicht mehr in der Lage ist, sie loszuwerden. Sie setzen einen Mix von Substanzen frei, die als „senescence-associated secretory phenotype“ (SASP) bezeichnet werden. Dazu gehören Matrix-Metallo­proteinasen. Das sind Enzyme, die die Extrazellularsubstanz angreifen. Hinzu kommen Signalsubstanzen, die Entzündungsreaktionen fördern. Zu den Folgen gehören typische Alterserkrankungen wie Typ 2-Diabetes, Nierenschwäche und auch Krebserkrankungen.

Immer Ärger mit den Zombies

Einen experimentellen Beweis für diese Theorie lieferte bereits 2018 eine US-amerikanische Arbeitsgruppe von der Mayo Clinic in Rochester. Den Forschern um Dr. Ming Xu gelang es im Tiermodell, bei jungen Mäusen anhaltende körperliche Einschränkungen, durch die Injektion von nur wenigen seneszenten Zellen auszulösen. Bei älteren Tieren führte eine noch geringere Menge an seneszenten Zellen sogar zu einer Verkürzung der Lebenszeit, wie die Forscher in ihrer Studie im »Nature Medicine« berichten. 

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Versuche an Mäusen zeigten klar und deutlich: Seneszente Zellen beschleunigen die Alterung, ihre Eliminierung über Senolytika drehte den Effekt um und verjüngte die kleinen Nager

Mäuse im plötzlichen Jugendrausch

In einer anderen Studie verabreichten die Forscher 24 bis 27 Monate alten Mäusen, das entspricht bei Menschen etwa einem Alter von 75 bis 90 Jahren, einen senolytischen Wirkstoffmix aus Dasatinib und Quercetin. Für die Tiere erwies sich die Rezeptur wie eine Verjüngungskur. Behandelte Tiere lebten 36 Prozent länger als Vergleichsmäuse und waren in ihren letzten Lebensmonaten genauso fit. Laufgeschwindigkeit, Muskelstärke und Kondition waren quasi identisch, ebenso die Seltenheit von auftretenden Krankheiten. Auch die Menge an Signalmolekülen, die den Körper gebrechlich werden lassen, nahm deutlich ab. In einem zweiten Schritt testeten die Forscher, ob sich seneszente Zellen mit einem sogenannten Senolytikum gezielt ausschalten lassen.

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Ein um 36 Prozent verlängertes Leben:
Senolytika sind ein wahrer Jungbrunnen – zumindest für Mäuse.

Hierzu ­behandelten sie zunächst isoliertes menschliches Fettgewebe, das reich an senszenten Zellen war, mit dem Krebsmittel Dasatinib (Sprycel®) und dem Pflanzeninhaltsstoff Quercetin. Diese Kombination hatte sich in früheren Versuchen als wirksam gegen seneszente Zellen erwiesen. In den Gewebeproben war daraufhin ein deutlicher Rückgang der Sekretion von pro­inflammatorischen Zytokinen zu verzeichnen. Mäuse, die diese Wirkstoffkombi erhalten hatten, verbesserten anschließend sämtliche körper­lichen Funktionen.

Gebremste Euphorie: Seneszente Zellen haben eine Aufgabe!

Natürlich führten die Studien an den Mäusen zu weiterführenden Fragestellungen. Können diese spektakulären Ergebnisse auch bei uns das Altern verlangsamen? Die Antwort lautet: Es ist sehr wahrscheinlich. Versuchsreihen an Menschen haben erst kürzlich gezeigt, dass Patienten mit Lungenfibrose, bei denen man sehr viele seneszente Zellen in der Lunge findet, ebenfalls signifikant von der Gabe der Senolytika profitieren. Im Fokus der Forschungen stand hier vor allem das in der Natur vorkommende Flavonol Quercetin und ein weiteres, hochpotentes Senolytikum: das ebenfalls natürlich vorkommende Flavonol Fisetin. Letzteres soll sogar in Einzelanwendung noch extrem wirksam sein, um seneszente Zellen zu entfernen. Eine neue US-Studie mit älteren menschlichen Probanden, untersucht jetzt die antiinflammatorischen Effekte von Fisetin. Doch auch wenn alle bisherigen Studien in Wissenschaftskreisen einen regelrechten Senolytika-Hype ausgelöst haben, ist auch hier – wie so oft – gesunde Skepsis angebracht.

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Die Frage, warum Mutter Natur, die seneszenten Zellen nicht selbst selektiert und aus dem Verkehr zieht, scheint zum aktuellen Zeitpunkt durchaus berechtigt und sollte genauso kritisch hinterfragt werden, wie die Anstrengungen das altersbedingte Verkürzen der Telomere künstlich zu unterbinden. Zum aktuellen Zeitpunkt liegen noch nicht genügend Studienergebnisse vor, um abschließende und zuverlässige Aussagen hinsichtlich des Einsatzes von Senolytika beim Menschen treffen zu können. Die gute Nachricht ist jedoch, dass es trotzdem bereits drei wesentliche Maßnahmen gibt, die seneszente Zellen auf natürliche und damit risikofreie Weise, aus dem Körper zu entfernen.

3 natürliche Wege, um seneszente Zellen los zu werden

Bevor die Forschung zuverlässige Anti-Aging Medikamente entwickeln wird, deren Risiken sicher evaluiert wurden, kann es noch eine Weile dauern. Wer dennoch etwas für seinen Körper tun möchte, um ihn möglichst jung und frisch zu halten, kann mit drei speziellen Maßnahmen durchaus schon jetzt aktiv werden.

Hier die drei zu 100 Prozent natürlichen Hacks gegen seneszente Zellen:

Dass Fasten einen lebensverlängernden Effekt besitzt, haben wir ja bereits in unserem Artikel über NMN hervorgehoben. Es kurbelt die sogenannte Autophagie an, eine Art Hausputz von innen, bei dem alte Zellen recycelt werden. Salopp ausgedrückt wird der Körper beim Fasten dazu gezwungen, anderweitig an seine Energie zu kommen, statt über Nahrung. Er beginnt dann teilweise, sich selbst zu verdauen, was vor allem die seneszenten Zellen betrifft.
Auch körperliche Bewegung, in Form von Ausdauersportarten, bringt durch den erhöhten Stoffwechsel die körpereigenen Reinigungsprozesse auf Hochtouren und mistet seneszente Zellen aus.

Die guten, alten Basics des „Healthy Lifestyle“

Wer also täglich die vielgepriesenen 10.000 Schritte an der frischen Luft geht, sollte damit schon einen großen Schritt weiter in Richtung Jugendlichkeit kommen. Alternativ gilt das aber auch für Bewegung jeglicher Art; ob Radfahren, Schwimmen, Walken oder Spaziergänge mit dem Hund im Wald. Je regelmäßiger, desto besser. Die dritte Maßnahme im Kampf gegen die alt machenden Zombie-Zellen sind spezielle Power-Nährstoffe in Obst und Gemüse. Ja, genau! Die Rede ist von den zuvor erwähnten Flavonolen Quercetin und Fisetin. Sie kommen vor allem in diesen Nahrungsmitteln vor:

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Erdbeeren, Trauben, Grünkohl, grüner Tee, rote Zwiebeln und Ruccola enthalten viele Flavonoide, die seneszente Zellen ausschalten können.

Alternativ oder zusätzlich kann man die beiden natürlichen Senolytika natürlich auch supplementieren. Der renommierte Langlebigkeitsforscher Prof. Dr. David Sinclair nimmt beispielsweise 500mg Quercetin in Form eines NEM. In welcher Frequenz er es einnimmt, ist jedoch nicht bekannt. Fakt ist, dass es bereits diverse Anbieter von Quercetin (und auch Fisetin) in Form von Nahrungsergänzungsmitteln gibt und eine Supplementierung, gerade auch für all diejenigen, die selten Gemüse und Obst essen, durchaus Sinn machen könnte.

Die folgende Tabelle zeigt, wieviel Quercetin in den jeweiligen Obst- und Gemüsesorten steckt:
Quercetingehalt in Gemüse und ObstPro Kilo
Kapern1730-2330 mg
Liebstückel1700 ng
Radicchio320 ng
Frischer Dill550 mg
Zwiebel284-486 mg
Schnittlauch245 mg
Grünkohl60-110 mg
Brokkoli22-32 mg
Grüne Bohnen30 mg
Tomaten2-27 mg
Preiselbeeren156 mg
Schwarze Johannisbeeren69 mg
Heidelbeeren74-158 mg
Himbeeren24 mg
Brombeeren45 mg
Grünkohl60 mg
Äpfel 21-72 mg
Trauben10-31 mg
Kirschen47 mg


Fazit dieses Artikels: Auch wenn die Forschung zum Thema Senolytika noch am Anfang steht, macht es durchaus Sinn durch viel Bewegung, Intervallfasten oder andere Fastenformen, die seneszenten Zellen auszudünnen.
Ebenso sollte man auf die Zufuhr von Quercetin und Fisetin achten, egal ob dies lediglich über Obst und Gemüse oder zusätzliche NEM geschieht. Bei letzteren ist selbstverständlich, wie bei allen NEM, auf die individuell empfohlene, korrekte Menge zu achten. Mikronährstoffmediziner sind hier eine gute Anlaufstelle für nähere Informationen.

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